Dr. Werner Pfeil: Schaffung einer grenzüberschreitenden Wissens- und Bildungsregion
07. Mai 2014
In seinem politischen Essay legt der FDP-Kandidat für den Städteregionsrat, Dr. Werner Pfeil, seine Vorstellungen für eine Zukunft der Region Aachen dar, die beste Aussicht hat, die zukünftige, führende Wissens- und Bildungsregion in Europa zu werden.
In seinem klaren Abriss zeichnet er Chancen, Voraussetzungen und Forderungen auf, wie dieses Ziel politisch zu erreichen ist.
„Investition in Wissen bringt die höchsten Zinsen.“
Benjamin Franklin
Im folgenden lesen Sie diesen interessanten Essay
Die Schaffung einer grenzüberschreitenden Wissens- und Bildungsregion - ein Hot-Spot des Wissens
Die größte Chance für die Region besteht darin, sich innerhalb der nächsten Jahre als grenzüberschreitende Bildungs-, Innovations- und Wissenschaftsregion Nr. 1 in Europa zu etablieren. Diese Chance müssen wir nutzen, um die Zukunftsfähigkeit der Region nachhaltig zu verbessern.
Die Herausforderung kann aber nur gemeistert werden, wenn sich alle Akteure aus Politik, Verwaltung, Hochschulen und F&E-Unternehmen koordinieren und sich gemeinsam diesem Ziel annehmen.
Die elf FDP-Fraktionen aus StädteRegion und den zehn regionsangehörigen Städten und Gemeinden fordern daher:
1. Die Intensivierung der Unterstützung des Campus-Projekts der RWTH Aachen auf allen Ebenen der Verwaltungen. Insbesondere muss das aktive Marketing auch von Seiten der Verwaltung deutlich verbessert werden.
2. Die Einrichtung einer Lenkungsgruppe zur Koordination der Aktivitäten für eine grenzüberschreitende Bildungs-, Innovations- und Wissenschaftsregion.
3. Die Weiterentwicklung eines Masterplans zum Technologietransfer, um Spin-Offs der Hochschulen in der Region zu halten und ihnen bestmögliche Unterstützung beim Auf- und Ausbau ihrer Unternehmung zu ermöglichen. Dies beinhaltet auch die Entwicklung einer One-Hand-Agency unter Berücksichtigung des Technology-Routings, die in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsfördergesellschaften der StädteRegion optimal und zielgerichtet technologie-orientierte Ausgründungen begleitet – von der Vermittlung von Venture Capital bis hin zur Hilfe bei allen bürokratischen Hürden.
4. Eine Zuordnung der wichtigsten der 19 Technologie-Cluster des Campus-Projekts zu Gewerbegebieten und Technologieparks der Region, um dort das Cluster-Prinzip in gewerblicher Form fortsetzen und ausbauen zu können. Die Verlängerung der Cluster in die Region hinein erlaubt es einerseits, gezielt und optimal den spezifischen Bedürfnissen von Ausgründungen begegnen zu können. Andererseits kann dadurch technologie-orientierten Unternehmen, die nicht auf dem Campus ansiedeln können oder wollen, ein entsprechendes Cluster-Umfeld geboten werden. Dabei sollten auch Gewerbegebiete und Technologieparks außerhalb der StädteRegion Aachen berücksichtigt werden (z.B. das 2009 gegründete Aldenhoven Testing Center (ATC) für die Automobilforschung).
5. Die Unterstützung der Zusammenarbeit von RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich – siehe JARA (Jülich Aachen Research Alliance) – unter Berücksichtigung der FH Aachen durch Abbau bürokratischer Hürden und einer verbesserten verkehrlichen Anbindung. Als Vorbild für die organisatorischen Rahmenbedingungen kann dabei das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) dienen, das als Zusammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe 2006 gegründet wurde und zu den führenden technologischen Einrichtungen Europas gehört.
6. Die Wiederbelebung der ALMA-Partnerschaft zwischen der RWTH Aachen, der Université de Liege, der Universiteit Maastricht und dem Limburgs Universitair Centrum in Hasselt-Diepenbeek. Die Partnerschaft sollte auf die FH Aachen und die Technische Universiteit Eindhoven erweitert werden, um zusammen mit dem FZ Jülich und JARA einen schlagkräftigen, grenzüberschreitenden und international sichtbaren Forschungs- und Technologieverbund entstehen zu lassen.
Das Beispiel Avantis zeigt, dass die Ansiedlung technologie-orientierter Unternehmen in der Region kein Selbstläufer ist: die ursprüngliche Konzeption des ersten grenzüberschreitenden Gewerbegebiets in Europa, verbunden mit dem Versprechen von 10.000 neuen Arbeitsplätzen, ist letztlich gescheitert an der mangelnden politischen Unterstützung, dem Versäumnis eines aktiven Marketings und der schlechten verkehrlichen Anbindung – und aufgrund der investoren-unfreundlichen Restriktionen von Seiten der Politik.
Die RWTH Aachen gehört sicherlich zu den besten technologischen Universitäten in Europa. Im internationalen Vergleich befindet sie sich aber lediglich im Mittelfeld: im QS World University Rankings® 2013 belegt sie im Bereich Engineering & Technology nur den 29. Platz. Und sie steht in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen technologischen Hochschulen und deren Ausgründungs-Umfeld in Europa, insbesondere zur TU München (Platz 17), TU Berlin (Platz 41) und Universität Karlsruhe (Platz 33) in Deutschland sowie zum Imperial College London (Platz 6), ETH Zürich (Platz 5) und TU Delft (Platz 15) im europäischen Vergleich. Die meisten dieser Universitäten entwickeln Projekte analog zum RWTH Aachen Campus.
Das sicherlich eindrucksvollste Beispiel für einen gelebten Technologietransfer zwischen Hochschule und Unternehmen sowie der optimalen Bereitstellung von Infrastruktur für technologie-orientierte Ausgründungen ist aber die Stanford University (Platz 2) und das benachbarte Silicon Valley, dessen Entwicklung bereits Anfang der 1950’er Jahre begann (damals noch als Stanford Industrial Park) und das heute Unternehmen wie Intel, Google, Yahoo, Hewlett-Packard und Apple beheimatet. An diesem Erfolgsmodell kann und muss sich auch die Region Aachen orientieren.
Die Verzahnung mit dem FZ Jülich sowie der Wiederbelebung der ALMA-Partnerschaft stellen wesentliche Bausteine für das Alleinstellungsmerkmal der Region Aachen als grenzüberschreitende Bildungs-, Innovations- und Wissenschaftsregion dar. Die Anbindung der Technische Universiteit Eindhoven ist nicht nur wegen des Standorts Aachen der Philips Technologie GmbH und dem Sitz von Philips Research in Eindhoven angezeigt. Diese Anbindung wird auch die internationale Sichtbarkeit der Innovationsregion deutlich erhöhen.
Die mit dem Campus-Projekt verbundenen Entwicklungschancen und die Verbesserung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der StädteRegion müssen wir optimal nutzen: um in einem Hochlohnland wie Deutschland im globalen Wettbewerb von morgen bestehen zu können, müssen wir uns heute schon mit aller Kraft um die besten Köpfe und die besten Ideen bemühen. Die dafür nötigen Rahmenbedingungen müssen auch von Seiten der StädteRegion verbessert werden. Um schnell, effektiv und nachhaltig die gemeinsamen Ziele realisieren zu können, bedarf es einer engen Verzahnung von Politik und Verwaltung mit allen Hochschulen und innovationsschaffenden F&E-Unternehmen der Region.
Erklärtes Ziel der EU-Staats- und Regierungschefs ist es, drei Prozent des Brutto-Inlandprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben (Lissabon-Ziel). Ziel der StädteRegion muss es sein, einen überdurchschnittlichen Anteil der F&E-Ausgaben in Form von Förderungen der Universitäten und F&E-Unternehmen wieder in die Region zu holen.
Die StädteRegion Aachen muss jetzt Akzente für den immer noch nicht abgeschlossenen Strukturwandel, die Schaffung von notwendigen Arbeitsplätzen und die Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der Region zu setzen. Dazu genügt es nicht, nur die besten Köpfe in der Region auszubilden. Vielmehr muss alles daran gesetzt werden, diese besten Köpfe auch in der Region zu halten. Denn leider wandern immer noch viel zu viele Absolventen der Hochschulen aus der Region ab.
Eine zentrale Aufgabe ist es daher, die Rahmenbedingungen für Ausgründungen und Spin-Offs in der Region nachhaltig zu gestalten.
von Dr. Werner Pfeil