Eine neue Hebammenschule löst nicht die Probleme sondern schafft neue!
29. Mai 2018
Beschlussvorschlag der FDP-Städteregionstagsfraktion
FDP will Region Aachen als möglichen Studienstandort für die Hebammenausbildung ab 2020 stärken. Foto: Hartmut910 / pixelio.de
Sehr geehrter Herr Etschenberg,
sehr geehrte Frau Schulz!
Beschlussvorschlag:
1.) Der StädteRegionstag spricht sich für eine Stärkung der Belange der Hebammen und der Auszubildenden im Beruf „Hebamme/Geburtshelfer“ in der StädteRegion aus.
2.) Der StädteRegionstag befürwortet eine Kooperation auf dem Gebiet der Geburtshilfe des Rhein-Maas-Klinikums mit dem Luisenhospital in Aachen und unterstützt die entsprechenden Voraussetzungen, sodass der theoretische Unterricht im Luisenhospital und der praktische Unterricht im Rhein-MaasKlinikum bis zur Akademisierung durchgeführt wird.
3.) Der StädteRegionstag unterstützt sämtliche Bestrebungen, die zum Ziel haben, dass auch nach 2020 die Region Aachen im Rahmen der akademischen Hebammenausbildung in der StädteRegion (incl. Stadt Aachen) aktiv und sichtbar ist.
Begründung:
Die SPD will die Schaffung einer weiteren Hebammenschule auf dem Gebiet der StädtRegion Aachen, obwohl ab 2020 nach der EU-Richtlinie 2013/55/EU und dem Willen des Bundes eine vollständige Akademisierung der Ausbildung bevorsteht. Damit müsste die Ausbildung spätestens ab diesem Zeitpunkt an einer Hochschule stattfinden und die Schule wieder schließen.
Der akute Bedarf an Hebammen ist in der StädteRegion, wie auch in anderen Regionen in Deutschland, augenfällig. Sowohl St. Brigida in Simmerath als auch das Rhein-Maas-Klinikum in Würselen haben derzeit Probleme. Es fragt sich jedoch, ob diese Probleme in mangelnden Ausbildungsplätzen liegen oder an sonstigen Faktoren.
Die SPD fordert mit ihrem Antrag vom 24.5.2018, auf dem Gebiet der StädteRegion eine zweite Hebammenschule einzurichten, um „diese Versorgungslücke“ zu schließen.
In Aachen stehen aber im Luisenhospital 54 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Damit können jährlich 18 Hebammen (in je 3 Ausbildungsjahren) ihren Abschluss für das Gebiet der Region Aachen erreichen. Die Möglichkeit, hier weitere Ausbildungsplätze einzurichten, soweit der Bedarf da ist, wäre gegeben und mit der Bezirksregierung abzuklären.
Eine weitere Hebammenschule in direkter Konkurrenz zur derzeitigen Hebammenschule im Luisenhospital ist weder zur Sicherung der Ausbildung geboten, außerdem würde ab 2020 diese Schule zur Ausbildung aufgrund der EU-Richtlinie nicht mehr genutzt werden und im Gegenteil könnte dies auch dazu führen, dass an den tatsächlichen Bedürfnissen der Zukunft vorbeigeplant würde.
Das tatsächliche Problem ist nämlich vielschichtig:
1.) Zu unterscheiden sind Beleghebammen, die neben der Geburt auch die Vor- und Nachversorgung der schwangeren Frauen mit betreuen, von den angestellten Hebammen in den Krankenhäusem, die dies zum Teil nicht machen.
Angestellte Hebammen sind aber einem Kostendruck in den Krankenhäusern ausgesetzt. Aus Kostengründen sind dort zu wenige Hebammen angestellt, da einzelne Krankenhäuser versuchen, durch knappe Personalgestellung im Bereich der Geburtshilfe ihre Ausgaben zu reduzieren. In Simmerath wollte man sogar die dortigen Beleghebammen für den Bereitschaftsdienst im Krankenhaus einsetzen, was dort zu erheblichem Protest führte, weil auch erheblich steigende Geburtenzahlen von den Beleghebammen alleine nicht bewältigt werden konnten. Nachdem dieser Protest von den Beleghebammen artikuliert wurde und viel öffentliche Resonanz nach sich zog, hat das Krankenhaus in Simmerath reagiert, die Stellen ausgeschrieben und sofort auch Bewerbungen von Hebammen erhalten, die sich auf die freien Stellen bewarben.
Durch vermehrte Ausbildung löst man das Problem also nicht, wie das Beispiel Simmerath zeigt. Hier müssen vielmehr die Krankenhäuser umdenken und auch Geld in die Geburtshilfe stecken, damit eine ausreichende Personalreserve vorhanden ist.
2.) Der Antrag der SPD führt daher primär nicht zu einer Verbesserung der Situation. Außerdem wäre diese Schule schon vor Ihrer Gründung ein Auslaufmodell, da die Ausbildung ab 2020 akademisiert werden soll, die Ausbildung also nur noch an einer Hochschule stattfinden kann.
Dies führt zu den eigentlichen Problemen auf Bundes- und Landesebene, die derzeit diskutiert werden: Auf Bundes- und Landesebene werden derzeit Überlegungen für die zukünftigen notwendigen Studiengang strukturen diskutiert, um die Hebammenausbildung rein akademisch auszugestalten.
Derzeit fehlen flächendeckende Studienangebote, zudem wird über die Finanzierung der neu einzurichtenden Studiengänge in der Hebammenkunde diskutiert. Außerdem müssen ausreichend promovierte Hebammenwissenschaftlerlinnen für die akademische Lehre an den Hochschulen zur Verfügung gestellt werden.
Die Schaffung einer zweiten Hebammenschule in der Region löst keine dieser bisher diskutierten aber ungeklärten Fragen.
3.) Auch wird darüber diskutiert, wie die bisherigen Hebammen-Fachschulen mit ihrer unbestreitbaren Fachexpertise in der Übergangszeit, also nach 2020, berücksichtigt werden können. Aus diesem Grunde wird auch die Forderung aufgestellt, dass bei der vom Bund verlangten Überführung der Ausbildung auf Hochschulniveau die heute vorhandenen Hebammen-Fachschulen eingebunden werden.
Um dem Fachkräfteengpass in der Hebammenkunde zu begegnen, darf daher keine zweite Hebammenschule in der StädteRegion eingerichtet werden, vielmehr sollte die StädteRegion - ähnlich wie Düren-Birkesdorf dies schon macht - mit dem Luisenhospital eine Kooperation eingehen, sodass in Aachen die theoretische Ausbildung insgesamt für die gesamte Region erfolgt (solange dies bis zur Akademisierung des Berufsbildes möglich ist) und im Rhein-Maas-Klinikum die Geburtshilfe wieder ihre Tore öffnet und Geld in die praktische Ausbildung der Hebammen steckt.
Dies würde auch den Standort der Region Aachen als möglichen Studienstandort für die Hebammenausbildung ab 2020 stärken, denn bisher gibt es auch diesbezüglich noch keine Entscheidungen, an weichen Hochschulen das Fach „Hebammenkunde“ unterrichtet werden soll.
Im September 2017 ist ein Entschließungsantrag der CDU/FDP Mehrheitsfraktionen (Drucksache 17/614) im Düsseldorfer Landtag verabschiedet worden, mit dem zum einen auf der Grundlage der Ergebnisse des in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes „Geburtshilfliche Versorgung durch Hebammen in NRW“ die Landesregierung aufgefordert wurde, eine flächendeckende Sicherstellung und Verbesserung der geburtshilflichen Versorgung zu entwickeln und außerdem wurde sie aufgefordert, sich auf Bundesebene einzusetzen, damit die Versicherungsprämien zur Berufshaftpflicht nicht weiter steigt und nicht nur von den Hebammen alleine gezahlt werden müssen.
Die StädteRegion Aachen wäre daher gut beraten, sich für einen Hochschulstandort - gerade in der Grenzregion - einzusetzen und hierfür in Düsseldorf die Weichen zu stellen, indem sie die Hebammenschule im Luisenhospital weiter stärkt, statt über eine zweite Hebammenschule in Bardenberg zu diskutieren.
gez. Dr. Werner Pfeil
stellv. Fraktionsvorsitzender FDP
» Beschlussvorschlag der FDP-Städteregionstagsfraktion vom 29.05.2019 (PDF-Datei, 1,68 KB)