Kommunalpolitik ohne Ulrich Göbbels
06. Januar 2023
Seit 48 Jahren ist er FDP-Mitglied. Seit 2004 sitzt er für die Liberalen im Eschweiler Stadtrat. Nun zieht er sich zurück.
Ulrich Göbbels saß für die FDP seit 2004 im Eschweiler Stadtrat. Nun scheidet er aus diesem Gremium aus. Foto: Harry Reimer
Eschweiler. „Es war schon ein komisches Gefühl“, sagt Ulrich Göbbels und schiebt nach nur wenigen Sekunden hinterher: „Aber ich hatte es mir vorgenommen und ich habe es auch durchgezogen.“ Seit knapp 48 Jahren ist Ulrich Göbbels Mitglied der FDP. Seit 2004 saß der Diplom-Ingenieur und Oberstudienrat für die Eschweiler Liberalen im Stadtrat. Doch damit ist seit wenigen Tagen Schluss. Mitte Dezember hat der 71-Jährige bei Bürgermeisterin Nadine Leonhardt (SPD) diesbezüglich vorgesprochen. In der Ratssitzung Ende Dezember 2022 wurde er – im nichtöffentlichen Teil – offiziell verabschiedet.
Ein Schritt, der lange geplant war, wie der 71-Jährige berichtet. Seit November 2020 ist Stefan Schulze Vorsitzender der Eschweiler FDP-Fraktion. „Ich wollte die neue Fraktion noch eine Zeit lang begleiten und mit ans Laufen bringen. Aber mir ist es auch wichtig, dass wir uns verjüngen“, betont Göbbels und fügt hinzu: „Mittlerweile haben wir einige junge Menschen als sachkundige Bürger gewinnen können. Das ist nicht nur gut so, das muss auch so sein.“ Sein Mandat wird fortan Stefan Steins übernehmen. Auch Ehefrau Dagmar wird sich nach 23 Jahren im Schulausschuss aus der Kommunalpolitik zurückziehen. „Wenn ich aufgehört und sie weitergemacht hätte, dann hätte ich ja automatisch noch alles mitbekommen und wäre wieder drin gewesen“, ist Ulrich Göbbels überzeugt.
Sein politisches Engagement begann 1974. Obwohl sein Großvater damals die SPD in Dürwiß gründete, entschied Göbbels sich für eine andere Partei: die FDP. In seinem ersten Wahlkampf – ein Jahr später – trat er noch in Würselen an. Der Vater seiner damaligen Verlobten bekleidete in den 70er Jahren das Amt des stellvertretenden Landrats und brachte Göbbels so zur aktiven Politik.
Fortan kandidierte der Liberale auf kommunaler Ebene nur noch in seiner Heimat. Eine Herausforderung. „In Stolberg hatte die FDP meist sechs, sieben oder acht Prozent und in der Eifel war sie auch immer im Rat vertreten. Aber Eschweiler war anders.“ Auf den Einzug in den Rat mussten die Liberalen lange warten. Genau gesagt bis 1999. Denn damals fiel im Vorfeld der Kommunalwahl die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP wurde bis 2004 von Konstantin Theuer als Einzelratsmitglied vertreten. Bei der Wahl vor 19 Jahren erlangten die Liberalen dann mit drei Mandaten, darunter auch Ulrich Göbbels, den Fraktionsstatus. Seitdem gehörte Ulrich Göbbels dem Gremium an. „Eigentlich hat sich in dieser Zeit nichts Gravierendes verändert. Im Eschweiler Rat geht es sehr sittsam zu“, sagt er und lacht.
Besonders am Herzen lagen dem Diplom-Ingenieur und Oberstudienrat Themen wie Digitalisierung und Wirtschaft. „Wenn Menschen vernünftige Arbeitsplätze haben, dann brauchen sie keine Sozialleistungen. Und dann ist auch die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt gesichert“, ist Göbbels nach wie vor überzeugt. Neubaugebiete spielen seiner Meinung nach dabei eine wichtige Rolle. „Aber in diesem Bereich, genauso wie bei den Industrie- und Gewerbegebieten, ist Eschweiler gut aufgestellt“, blickt der Liberale optimistisch in die Zukunft.
Es gibt jedoch auch Themen, mit denen der 71-Jährige nicht ganz zufrieden ist. „Die Digitalisierung muss definitiv besser werden. Das Hochwasser hat leider vieles zerstört, aber gerade die Schulen können wir jetzt so modern wie möglich ausstatten“, sagt er und ergänzt: „In der Pandemie hat man gesehen, wie wichtig allein die technische Grundausstattung ist.“
Viel zu tun gebe es noch in Sachen Infrastruktur. „Und auch an den Kanälen ist noch jede Menge zu machen“, sagt Ulrich Göbbels. Er ist laut eigener Aussage ein Freund davon, vorausschauend zu planen. „Ich habe beispielsweise schon öfter vorgeschlagen, in der Stadt intelligente Leuchten zu installieren, und auch die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge muss sich verbessern.“
Apropos Vorschläge und Anträge: Wie kann eine kleine Ratsfraktion ihre Ideen durchbringen? Ulrich Göbbels hat dafür eine einfache Lösung. „Man muss einfach miteinander sprechen und fragen, ob alle mitziehen. Das ist uns in der Vergangenheit oft gelungen.“ Ein aktuelles Beispiel: Dem Antrag der FDP-Fraktion, Mini-Solaranlagen zu fördern und dafür die entsprechenden Mittel im Haushalt bereit zu stellen, ist die Politik einstimmig gefolgt. „Wichtig ist, dass es immer um die Sache geht“, betont der 71-Jährige.
Sorgen bereitet dem Liberalen indes der städtische Haushalt. „Darüber könnten wir jetzt zwei Tage lang reden“, sagt Göbbels und fügt hinzu: „Die finanzielle Situation in Eschweiler ist nicht rosig. In der Vergangenheit habe ich schon immer gesagt, dass wir sparen müssen, und dieser Meinung bin ich auch nach wie vor. Wir müssen unseren Haushalt enkelfit machen, ansonsten verschwenden wir die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, auf Kosten der zukünftigen Generationen.“ Auch für die Bürgerinnen und Bürger müsse die finanzielle Situation der Kommune verständlicher werden.
Ganz von der politischen Bühne verabschiedet sich Ulrich Göbbels mit seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat jedoch nicht. Im Regionalrat und im Braunkohleausschuss wird er weiterhin mitwirken. „In beiden habe ich noch mindestens drei Jahre vor mir. Ich bin also nicht total aus der Welt“, sagt er und lacht. Die Arbeit in diesen Gremien sei ihm äußerst wichtig und als Pensionär habe er auch genügend Zeit dafür. Denn Göbbels weiß: „In der Kommunalpolitik ist das Mitwirken vor dem zeitlichen Hintergrund einfacher. Im Regionalrat starten die Sitzungen oft schon morgens um 8 oder 9 Uhr – dann wenn die meisten Leute arbeiten.“
Dass er künftig zu viel Zeit haben wird, befürchtet der 71-Jährige nicht. „Vielleicht komme ich ja tatsächlich mal dazu, ein Buch zu lesen“, sagt er und schiebt lachend hinterher: „Ich habe jede einzelne Ratsvorlage gelesen. Manchmal hat man dann einfach keine Lust, noch mehr zu lesen.“ Fest steht für ihn jedenfalls: „Auch wenn ich aus der Kommunalpolitik ausscheide, werde ich noch viel zu tun haben. Langeweile kommt bestimmt nicht auf.“
Die werde sicherlich auch nicht bei seinen einstigen Mitstreitern aus dem Stadtrat aufkommen. Davon ist Ulrich Göbbels überzeugt. „Ich wünsche dem Rat ein gutes Händchen, um unsere Stadt so gut wie möglich nach vorne zu bringen. Schließlich gibt es noch viele Sachen, die in Eschweiler getan werden müssen.“
Kandidaturen und kommunale Aufgaben
Von 2004 bis Ende 2022 gehörte Ulrich Göbbels dem Eschweiler Stadtrat an. In dieser Zeit war er in verschiedenen Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Gremien aktiv. Von 2009 bis 2020 war er als Fraktionsvorsitzender der FDP tätig. Seit Januar 2010 ist er zudem Mitglied des Regionalrates Köln, stellvertretender Vorsitzender der Regionalratsfraktion, Mitglied der Kommission Rheinisches Revier und der Verkehrskommission. Ebenfalls seit 2010 ist Göbbels Mitglied des Braunkohleausschusses sowie dessen stellvertretender Vorsitzender und Fraktionsvorsitzender.
48 Jahre Mitglied in der FDP
1974 ist Ulrich Göbbels den Liberalen beigetreten. Ein Jahr später wurde er Kreisvorsitzender der Jungdemokraten und Mitglied im Kreisvorstand. In diesem ist er seit 39 Jahren aktiv – davon fünfeinhalb Jahre als stellvertretender Kreisvorsitzender, 13,5 Jahre als Vorsitzender und die restliche Zeit als Beisitzer. Im Eschweiler Stadtverband engagiert er sich seit 1980 – unter anderem als Vorsitzender und Stellvertreter sowie seit 2022 als Beisitzer. Seit 48 Jahren ist Ulrich Göbbels zudem Delegierter im Kreishauptausschuss und seit rund 45 Jahren Delegierter oder Ersatzdelegierter auf dem Bezirks- und Landesparteitag sowie im Bundes- und Landeshauptausschuss. Seit 2010 arbeitet er als kooptiertes Mitglied im Bezirksvorstand Aachen mit.
von Sonja Essers
Eschweiler Zeitung, 06.01.2023