Warum eine 25-Jährige unbedingt in den Baesweiler Stadtrat wollte
21. März 2023
Junge Politik im Nordkreis
Lea Herkens (FDP) gehört dem Baesweiler Stadtrat seit 2020 an. Foto: Günther von Fricken
Nordkreis. In den Stadträten der vier Nordkreiskommunen liegt der Altersdurchschnitt bei über 50 Jahren. Junge Politiker und Politikerinnen wollen das ändern. Zum Beispiel Lea Herkens (FDP), 25, aus Baesweiler.
Meist über 50 Jahre alt und überwiegend männlich. So sieht die Zusammensetzung in vielen Stadträten aus. Die Herzogenratherin Laura Postma ist da mit ihren 29 Jahren eine populäre Ausnahme, seit letztem Jahr sitzt sie als Grünen-Abgeordnete gar zusätzlich im NRW-Landtag. Wie aber könnte man mehr junge Menschen für die Politik gewinnen? In Alsdorf gibt es derzeit kein Jugendparlament und auch in Baesweiler nicht mehr. Eine Veranstaltung zur Jugendpartizipation fand dort sehr geringen Zuspruch. In Würselen hat der Jugendhilfeausschuss die Verwaltung beauftragt, ein Konzept über institutionelle Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in der Stadt Würselen zu entwickeln. Für junge, politisch interessierte Menschen besteht in Herzogenrath die Möglichkeit, sich im Jugendbeirat zu engagieren.
Wie politisches Engagement junger Leute beispielsweise als Mitglied eines Stadtrates im Nordkreis aussehen kann, stellen wir in einer kleinen Serie vor. Den Auftakt macht Lea Herkens aus Baesweiler. Sie ist 25 Jahre alt.
„Trockene Politik finden wohl die wenigsten jungen Leute wirklich spannend“, sagt sie. Aber wenn es den etablierten Parteien gelingt, die „Politik lebendig zu machen“, dann sei das etwas anderes. Dann können deutlich mehr Jugendliche zum Mitmachen gewonnen werden. So war es bei der 25-jährigen Baesweilerin, die 2020 für die FDP erstmals in den Baesweiler Stadtrat eingezogen ist. In der Schule hatte sie Biologie und Mathematik favorisiert, erst durch Gespräche und die TV-Nachrichten wurde ihr Interesse am politischen Geschehen geweckt – und ihre Eltern gaben ihr den Rat mit auf den Weg: „Wenn Du Dir politisch was wünschst, musst Du auch dafür eintreten.“
Und genau das hat Lea Herkens gemacht, die beruflich als Promotionsstudentin am Klinikum Aachen an der Nierenfibrose (Vernarbung von Nieren) forscht. Als sie mit 17 Jahren in die „Julis“, die Jungen Liberalen, eingetreten ist, hatte sie zunächst nicht vor, eine tragende Rolle zu spielen. Das änderte sich aber bald, mit 20 gehörte sie dem Juli-Vorstand des Kreisverbandes Aachen-Land an, außerdem war sie zwei Jahre die Vorsitzende der Julis Baesweiler und kandidierte schließlich 2020 erfolgreich für den Stadtrat.
Ganz wichtig in der Entwicklung sei es gewesen, mit jungen Leuten zusammen gewesen zu sein, „die mehr oder weniger gleich denken und junge Ideen nach vorne treiben wollen“. Und davon fand sie in ihrem Umfeld eine ganze Menge, zunächst in Aachen, später in Baesweiler, wo „immer mehr dazu kamen und sich gegenseitig inspiriert haben“. So sei die FDP mittlerweile in Baesweiler eine sehr jung aufgestellte Partei, die zudem mit Peggy Kohlhaas eine Frau habe, die neben der Aufgeschlossenheit der Jugendlichen viel Erfahrung aus ihrer politischen Arbeit mit- und einbringe. Wie ein „Welpenhaufen, den man bändigen muss“, sei es manchmal, wenn alle jungen Leute ihre Ideen bündeln wollen, während Peggy Kohlhaas Struktur in das Ganze bringe.
Lea Herkens wollte unbedingt in den Stadtrat. „Der Stadtrat in Baesweiler hat eine hohe Altersstruktur und ist sehr männlich geprägt, und es ist gut, wenn junge Menschen die Möglichkeit haben, dafür zu sorgen, dass ihre Positionen Gehör finden und junge Themen im Rat behandelt werden“, betont sie. So hat sie sich sehr engagiert dafür eingesetzt, dass es an den Baesweiler Schulen für Schülerinnen kostenlose Hygieneartikel geben soll. „Auch wenn das zum Beispiel für die CDU im Stadtrat ein Tabuthema war: Der Periodenscham muss beendet werden und die jungen Menschen dürfen damit nicht alleine gelassen werden“, sagt Lea Herkens. Nach einem von ihr gestellten Antrag zu diesem Thema hat der Schulausschuss entschieden, die Idee an den Schulen auszuprobieren.
Bei einem zweiten Thema, für das sie sich engagiert, fühlt sie sich von der Verwaltung mit der Begründung Raummangel „abgespeist“ – es passiere nichts. Ihr im Rat eingebrachter Vorschlag: Co-Working-Spaces zu schaffen, in denen Berufstätige arbeiten oder Studenten Vorlesungen verfolgen können.
Lea Herkens selbst möchte im Stadtrat einen feministischen Schwerpunkt setzen und einen jungen Frauentyp repräsentieren. Sie hofft, dass auch andere Parteien junge Frauen motivieren können, es ihr gleich zu tun, denn junge Menschen seien im Rat unterrepräsentiert.
Natürlich weiß sie, dass viele Jugendliche heutzutage ganz andere Interessen hätten, doch das müsse schon im Politikunterricht anfangen. „Wenn Jugendliche sehen, dass sie was bewirken können, wenn sie sich einbringen, kann das was beeinflussen. Und Ideen aus dem Politikunterricht können in die Stadträte gelangen“, betont sie.
Anreize schaffen, Wertschätzung für die Jugend zu zeigen, das seien Schlüssel zum Erfolg. „Denn wenn Jugendliche wie bei ,Fridays for Future‘ Gehör bekommen, sehen sie, dass es anderen nicht egal ist, was sie denken“, sagt die Baesweiler Kommunalpolitikerin, die neben dem Rat dem Bau- und Planungsausschuss als beratendes Mitglied angehört.
So sieht die Altersstruktur in den Räten aus
Ein Überblick über die Altersdurchschnitte in den Ratssälen der Nordkreiskommunen:
In Alsdorf kann man von einer Verjüngung des Rates sprechen. Das Durchschnittsalter der Mitglieder – ohne Bürgermeister Alfred Sonders – lag vor der letzten Kommunalwahl bei 58,37 Jahren. „Momentan liegt es bei 51,65 Jahren“, sagt Yvonne Filipenoks, Leiterin des Amtes für Rat und Verfassung. Das älteste Ratsmitglied ist aktuell 77 Jahre alt, das jüngste 22.
Im Vergleich zur vergangenen Wahlperiode liegt das Durchschnittsalter in Würselen heute zwei Jahre höher, teilt das Haupt- und Personalamt mit. Das Durchschnittsalter beträgt derzeit 55 Jahre. Das jüngste Ratsmitglied ist 28 Jahre alt, das älteste ist 78 Jahre alt.
In Baesweiler ist das älteste Ratsmitglied 79 Jahre alt, das jüngste Mitglied ist 23. Das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 53,6 Jahren. Im Jahr 2020 sind sieben Personen neu in den Rat gewählt worden. Von diesen waren sechs Personen zum Zeitpunkt der Wahl unter 50 Jahre alt, drei davon sogar unter 35.
Das Durchschnittsalter der Ratsmitglieder in Herzogenrath liegt bei 54 Jahren. Das älteste Ratsmitglied ist 75 Jahre alt, das jüngste 23. Das Durchschnittsalter ist gegenüber dem letzten Stadtrat leicht gesunken (von 57 auf 54).
von Günther von Fricken
Aachener Zeitung, 20.03.2023