FDP Kreisverband Aachen-Land

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Oliven in der Burgstraße bringt Bürger auf die Palme

19. Oktober 2023

eine Glosse von Jorge Scholz

Oliven in der Burgstraße
Mit ihren Olivenbäumen ist die Flora der Stolberger Altstadt nun für den Klimawandel bestens gerüstet und freut sich auf den Dauersommer. Fotos: Jorge Scholz

Stolberg. Stolbergs Stadtverwaltung verwandelte zu Beginn dieser Woche die Burgstraße in der Altstadt in einer Nacht- und Nebelaktion in eine Olivenallee. Und spaltet seitdem die von der Obrigkeit überraschend beglückten Anwohner in zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Lager der Fans und Gegner des mediterranen Ölbaumgewächs. Nur Stunden nach dem Einpflanzen des antiken Symbols für Liebe und Frieden geraten in einigen Fällen Nachbarn im erbitterten Streit um das Für und Wider mit rustikaler Wortwahl in die Haare. Ein besonders echauffierter Zeitgenosse stürmte gar erbost am vergangenen Montagabend das in der Burgstraße ansässige Blumengeschäft, das das runde Dutzend der zwei Meter messenden Hochstämmchen auf Bestellung der Stadt geliefert und gepflanzt hatte. Und verlangte von der konsternierten Inhaberin, die sich als Auftragnehmerin vollkommen zu Recht vollkommen schuldlos fühlt, ultimativ und unter wüsten Beschimpfungen die Stornierung des Auftrags. In den folgenden Tagen wurde bei zufälligen Begegnungen verbal unfein nachgelegt. Nun droht dem Nachbarn mit dem hohen Blutdruck und der schwach ausgeprägten Affektkontrolle im Wiederholungsfall Lokalverbot.

Auslöser für den Bürgerzwist um den Sinn und Unsinn von mediterranem Olivengrün als Gruß aus dem sonnigheißen Süden in einer am Nordrand der nasskalten Eifel gelegenen historischen Altstadt sind neben ästhetischen Fragen auch Fragezeichen nach dem angemessenen Umgang mit Steuermitteln. Doch auch die Kommunikation bzw. Nicht-Kommunikation der für den Oliven-Coup verantwortlichen kommunalen Stellen stößt auf Kritik. Wobei man fairerweise ergänzen muss: Auch die Güte der Kommunikation gewisser besonders erboster Bürger mit ihren Nachbarn lässt deutlich Luft nach oben. Aber das wäre eine ganz eigene und damit andere Geschichte. Also zurück zum Thema und der Reihe nach:

Zunächst muss man als Hintergrund wissen, dass für die mit kompakten silbergrauen Blattkugeln gekrönten daumendicken silbergrauen Oliven-Stämmchen die dank des bislang milden Herbstwetters nach wie vor üppig blühende bisherige Bepflanzung der stationären Waschbetonbottiche mit diversen Stauden weichen musste. Zwischen ebenfalls grauen Bruchsteinfassaden und Kopfsteinpflaster ersetzt plötzlich ganzjährig behördlich verordnetes kontrastarmes Dauergrau das bisherige lebensfrohe Blütenbunt. Hinzu kommt, dass einige dieser abgrundhäßlichen Gemeindehochbeete im sichtlich vom Zahn der Zeit erodierten Zementcharme der späten 70iger nicht vom überlasteten Grünflächenamt sondern über viele Jahre hinweg von Anwohnern in ehrenamtlicher Patenschaft liebevoll bepflanzt und gepflegt worden waren. Dass sich da der Applaus bei den Betroffenen über das ohne jede Vorwarnung erfolgte behördliche Unterpflügen der Früchte der eigenen freiwilligen Arbeit im städtischen Betongartentrog vor der Haustür in Grenzen hält, lässt sich auch von Außenstehenden nachvollziehen. Immerhin gelang es ausgerechnet der bereits erwähnten und so übel geschmähten Floristin, in einigen Härtefällen den traurigen Freizeitgärtnern wenigstens ihre zuvor ausgegrabenen und liebevoll umgetopften Pflegestauden zu retten. In weiteren Fällen, wo der Widerstand besser begründet oder schlicht entschiedener war, blieben gar komplette Betonbeete mit ihrer bisherigen Bepflanzung unangetastet. Was dazu führt, dass in der schönen neuen Olivenallee schon jetzt auch ohne jeden scharfen Nachtfrost erste Lücken klaffen.

Mediterranes Flair vor flutgeschundenen Fassaden

Neben der Frage, ob es tatsächlich passend und eine gute Idee ist, ausgerechnet eine zwischen barocken Kirchen auf dem Weg vom Willy-Brandt-Platz hinauf zu einer mittelalterlichen Burg führende Gasse mit Bäumen zu säumen, die man eher in Andalusien, in der Toskana oder in der Provence erwartet, nicht aber unbedingt im Vichtbachtal, bewegen auch finanzielle Überlegungen die Gemüter, die mit dem exotischen Pflanzengeschmack der Stadtoberen verknüpft ist. Denn „Olea Europaea“ liebt als perfekt an das Mittelmeerklima angepasste Kulturpflanze warme bis heiße, sonnige, windgeschützte und trockene Standorte. Und geht nach anhaltender Staunässe und allzu strammen Nachtfrösten gerne mal für immer ein, wie der Beipackzettel der niederländischen Baumschule, die die zuvor aus den Mittelmeerländern importierten und damit wärmeverwöhnten Stolberger Exemplare geliefert hat, warnt. Mal davon abgesehen, dass der offenkundige Klimawandeloptimismus der Verantwortlichen in einer Stadt, die erst vor zwei Jahren nach tagelang anhaltendem Dauerregen buchstäblich in den Fluten untergegangen ist, überrascht: Ein kluger Privatgärtner mit Sinn für den Pegelstand im eigenen Portemonnaie würde wohl eher nicht auf die Idee kommen, pro Stück im Großhandel über 150,-€ teure wetterempfindliche Edelbäume ausgerechnet in einer engen und damit sonnenscheinarmen Gasse mit Ost-West-Ausrichtung, wie die Burgstraße eine ist, zu platzieren, wo die jungen Oliven an manchen ihrer Standorte, wo stattliche Moosplacken rund um die Kübel zudem von reichlich Feuchtigkeit künden, über viele Monate hinweg nie und auch im Hochsommer höchstens für wenige Stunden von direktem Sonnenlicht beschienen werden. Der um den Düseneffekt der engen Gasse verstärkte übliche Westwind tut erwartbar sein Übriges, um so manches Exemplar in den frühen Komposttod zu treiben. Olivenfreunden unter den Hobbygärtnern raten deshalb die einschlägigen Fachzeitschriften, die Kübel mit den frostempfindlichen Ölbäumen ab Herbst nach ersten Nächten mit Tiefsttemperaturen um 5 Grad plus in den geschützten Wintergarten oder Keller zu räumen. In Stolberg ließ die Stadt in der Burgstraße ihre frisch erworbenen Olivenbäumchen just nach der ersten Nacht mit einer Minimaltemperatur knapp über dem Gefrierpunkt in die Freilandkübel auspflanzen. Den fachmännischen Rat, in solchen Fällen von Überwinterungsversuchen im Freien zumindest die Wurzeln mit einer Schicht flacher Steine sowie die Kronen mit einem wärmenden Vlies zu schützen, ignorieren die steuergeldfinanzierten kommunalen Profigärtner ebenfalls souverän, wenn nicht noch in Kürze vor dem ersten echten Kälteeinbruch nachgebessert wird. Kein Wunder also, dass das böse Wort von der „Verschwendung von Steuermitteln“ seine Runde macht.

Last but not least sorgt der Umstand für Unmut, dass es im Vorfeld der Pflanzaktion niemand von der Stadt für nötig befunden hat, die Anwohner in die Pläne einzuweihen, ganz zu schweigen einzubinden. Gerade in der Burgstraße, wo Eigentümer wie Mieter seit langem schon in Eigeninitiative mit Blumenkästen, Rankpflanzen, Minibeeten, privat aufgestellten Bänken für Passanten und gelegentlichen Kunstaktionen viel dafür tun, diese zentrale Verkehrsachse der Altstadt und wichtigster Zugang auswärtiger Besucher und Touristen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Kupferstadt ästhetisch in Wert zu setzen und in eine viel fotografierte Attraktion zu verwandeln, kommt dieses geradezu obrigkeitsstaatliche Gebaren, das das Engagement eigenverantwortlich handelnder Bürger ignoriert, einer von ihrer politischen Wirkung her höchst frustrierenden Ohrfeige gleich. Warum nur kam im Rathaus niemand auf die Idee, die Schwarmintelligenz und das Knowhow der Anwohner – darunter etliche Malerinnen und sonstige Kunstschaffende mit viel Sinn und Begabung für die kreative Gestaltung des Schönen – beispielsweise in Gestalt eines Ideenwettbewerbs abzurufen?

Die kontraproduktive Folge der absurden Olivenposse im Schildbürgerstil: Statt Lust am Verschönern der eigenen Straße herrscht nun Frust. Und Schlimmer noch: Streit unter Nachbarn ausgerechnet um ein Symbol der Liebe und des Friedens.

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(Hans-Dietrich Genscher)

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