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Landtagswahl in Thüringen: Zusammenarbeit mit AfD in Eschweiler und Stolberg nicht denkbar

06. Februar 2020

Eschweiler/Stolberg. Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen löste bundesweit Entsetzen aus – auch bei den Lokalpolitikern in Eschweiler und Stolberg.

Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, aus der der in Aachen geborene FDP-Politiker Thomas Kemmerich am Ende mit Hilfe der AfD als Ministerpräsident hervorgegangen ist, löste bundesweit Entsetzen aus. Zwar trat Kemmerich nur gut 24 Stunden später wieder von seinem Amt zurück. Dennoch schütteln viele Lokalpolitiker in Eschweiler und Stolberg über die Vorgänge in Thüringen den Kopf – und blicken teils mit Sorge auf die Kommunalwahl im kommenden September.

Stefan Schulze, der kommissarische Vorsitzende des FDP-Stadtverbands in Eschweiler sprach von einem „bitteren Tag“, wenn er über den zurückliegenden Mittwoch nachdenkt. „Mit dem Ergebnis hatte keiner gerechnet, wir sind aus allen Wolken gefallen.“ Im Nachhinein sei zwar immer klarer, was besser gewesen wäre, gab Schulze von der FDP im Gespräch mit unserer Zeitung zu bedenken. Allerdings sei die Entscheidung vom Mittwoch, die Kemmerich getroffen habe vor seinem Rücktritt die „schlechteste Variante, die uns hätte passieren können“. An eine direkte Absprache von CDU, FDP und AfD glaube er nicht, mit dem politischen Kalkül der AfD hätten FDP und CDU aber dennoch rechnen müssen: „Zum dritten Wahlgang hätte man nicht antreten sollen.“ Für Eschweiler kann er sich eine „aktive und abgesprochene Zusammenarbeit mit der AfD nicht vorstellen“. Dort sitzt die AfD zwar nicht mit im Rat, bis zur Wahl im September bestünde theoretisch aber noch die Zeit, einen Ortsverband zu gründen und anzutreten – so wie in Stolberg.

Axel Conrads von der FDP in Stolberg bewertete die Vorgänge vor Kemmerichs Rücktritt recht gelassen: „Ich finde es gut, dass ein FDP-Mann als Ministerpräsident gewählt worden ist.“ Er bedauere, dass sich wohl viele lieber einen Mann des linken Randes als einen Mann der Mitte wie Kemmerich gewünscht hätten. Dass Thomas Kemmerich seinen Sieg auch den Stimmen der AfD zu verdanken hatte, sah Conrads nüchtern. Dennoch sagte er: „Das ist tatsächlich nichts, das man jemandem wünscht, mit den Stimmen des radikalen Randes gewählt zu werden.“ Die Aussage, dass sich jemand von einer bestimmten Gruppe wählen lässt, sieht er aber als eine „Überspitzung, die mit der politischen Realität nicht in Einklang zu bringen ist.“

CDU hätte Wahl nicht angenommen

Die CDU in Eschweiler positionierte sich klarer. Fraktionsvorsitzender Willi Bündgens betonte mehrfach: „Mit Extremisten wollen wir nichts zu tun haben.“ Er könne nur eine Neuwahl empfehlen und hätte an Kemmerichs Stelle die Wahl nicht angenommen. An dem taktischen Vorgehen der AfD sei zwar politisch gesehen nichts auszusetzen – FDP und CDU in Thüringen hätten diesen Schachzug aber vor der Wahl durchschauen müssen. In der AfD gebe es sicherlich auch Kollegen, die sachlich, ruhig und auf Basis der demokratischen Grundordnung arbeiten würden, allerdings seien fast nur die populistischen und radikalen Vertreter zu hören. Eine Zusammenarbeit mit der AfD sei so nicht möglich und nicht gewünscht – auch nicht in Eschweiler. Die Geschehnisse in Thüringen schätzte Bündgens jedoch als „Motivationsschub“ für die politischen Ambitionen der AfD ein. Er betont aber zeitgleich, dass eine AfD im Rat – sofern sie in Eschweiler in den Rat einziehen würde – keine Partner für eine Zusammenarbeit finden würde. „Ich kenne niemanden, weder aus meiner Partei noch aus anderen Parteien, der sich darauf einlassen würde.“

Die Reaktion von CDU-Chef Jochen Emonds in Stolberg war ebenfalls eindeutig. Er sprach von einer Schande und unterstrich: „Niemals darf ein Regierungschef von Extremisten in einer schwierigen Minderheitssituation oder zufällig gewählt werden.“ Dass eine Wahl unter solchen Voraussetzungen stattgefunden hat, lehne er klar ab. Die AfD wäre keinesfalls als bürgerlich anzusehen und wäre mit „unseren freiheitlichen Grundnormen nicht zu vereinbaren“.

SPD sieht Glaubwürdigkeit in Gefahr

So sieht das auch Eschweilers Bürgermeister Rudi Bertram von der SPD. „Ich war wirklich geschockt und mir ist es kalt den Rücken runter gelaufen“, fasste er seine Reaktion auf das Wahlergebnis zusammen. Kemmerich versuche nun zu vermitteln, der Sieg mit der Hilfe der AfD sei ein Zufall gewesen – das glaube Bertram jedoch nicht. „So etwas ist von langer Hand vorbereitet, das passiert nicht einfach so.“ Zudem höre er oft, dass die Ereignisse in Thüringen weit genug weg wären. Kaum einer bedenke jedoch, dass Kemmerich aus Aachen und AfD-Mann Höcke ebenfalls aus NRW kämen: „Das ist unsere Mitte.“

Ihm bereite das mit Blick auf die Kommunalwahlen im Herbst „große Sorge“. Wenn ein Politiker aus einer Partei, die in der Wahl gerade einmal fünf Prozent der Wählerstimmen erreicht habe, den Ministerpräsidenten stellen würde, und das auch noch mit Hilfe der AfD, liefen die demokratischen Parteien Gefahr, von Wählerinnen und Wählern nicht mehr ernst genommen zu werden. „Das Vertrauen in die Politik geht verloren“, sagte Bertram. Sollte die AfD noch zur Kommunalwahl antreten, hält er eine Zusammenarbeit im Stadtrat aber ebenfalls für ausgeschlossen.

Unverständnis herrscht auch bei der Stolberger SPD. Stolbergs Bürgermeister Patrick Haas: „Die mit Stimmen von AfD, CDU und FDP vollzogene Wahl des Aacheners Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens ist ein Tabubruch, der die demokratische Parteienlandschaft in Brand gesetzt hat. Ob bewusst oder unbewusst, ob initiiert oder nur in Kauf genommen: Die Zusammenarbeit mit einer besonders in Thüringen klar rechtsradikalen Partei wie der AfD und deren faschistischem Parteichef Björn Höcke ist ein enormer Schaden für die Glaubwürdigkeit der Demokratie im Allgemeinen – leider auch über Thüringen hinaus.“ Zudem fügt er hinzu: „Ich bin mir absolut sicher, dass die demokratischen Parteien in unserer Kupferstadt auch weiterhin eine klare Grenze zu extremistischen Kräften ziehen werden, so wie wir es gemeinsam schon während den Aufmärschen von Rechtsradikalen vor einigen Jahren letztlich erfolgreich getan haben. Ich bin vollkommen überzeugt, dass die demokratischen Parteien in Stolberg in dieser Frage auch weiterhin eng zusammenstehen.“

Grüne sehen Wahl als Katastrophe

Dietmar Widell, Fraktionsvorsitzender von den Grünen in Eschweiler, sah das Problem bei der Thüringen-Wahl bei FDP und CDU: „Die Absprachen untereinander waren schlecht.“ Die FDP hätte keinen Kandidaten aufstellen sollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die AfD bis zur Kommunalwahl in Eschweiler mit einem eigenen Stadtverband ins Rennen geht, schätzt er „50/50“ ein. Das Potenzial sei da. Sollte es dazu kommen, hoffe er jedoch, „dass keiner in Eschweiler so schusselig ist“ wie in Thüringen und sich auf eine Zusammenarbeit einlässt.

Auch Frank Thyssen von den Grünen in Stolberg war von den Vorgängen in Thüringen regelrecht erzürnt. „Eine Katastrophe, das geht gar nicht“, sagte er. „Mit Faschisten redet man nicht, handelt man nicht, koaliert man nicht und lässt sich nicht von ihnen wählen.“ Für ihn sei das Ergebnis eine politische Katastrophe und Warnung in einem. Es mache ihm Sorgen und verdeutliche, dass man sich noch mehr gegen den rechten Rand stellen und abgrenzen müsse. Er sei der Meinung, dass man das Geschehene nicht für die ganze FDP verallgemeinern könne. Die Entscheidung wäre seitens der FDP trotzdem unklug und unüberlegt gewesen. „Denn das hätte nicht passieren dürfen“, so Thyssen.

Albert Borchardt von den Linken in Eschweiler formulierte noch deutlicher: „Demokratische Parteien dürfen nicht mit faschistischen Parteien zusammenarbeiten.“ Er sei fassungslos gewesen „über so ein abgekartetes Spiel“. Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen dürfen. Für Eschweiler erhofft er sich eine starke Zivilgesellschaft, die einem Aufstieg der AfD entgegensteht.

„Ich habe es nicht für möglich gehalten“, sagte auch Erich Spies von der UWG in Eschweiler. Die Politik habe sich mit diesem Schritt unglaubwürdig gemacht und der AfD zugestanden, den Ministerpräsidenten mitzubestimmen.

von Anna Katharina Küsters und Jana van Megeren
Eschweiler Zeitung, 06.02.2020

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