Pfeil: Gespräche führen mit unseren belgischen Nachbarn
30. Juni 2017
Erste Rede von Dr. Werner Pfeil MdL im Plenum vor dem Düsseldorfer Landtag zum Antrag gegen Tihange.
Dr. Werner Pfeil MdL
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,
die Einwohner der Grenzregion Aachen – und damit meine ich die Bürgerinnen und Bürger auf niederländischer, belgischer und deutscher Seite und nicht nur kleinräumig auf Aachen beschränkt sondern großräumig bis nach Düren, Heinsberg, Euskirchen, Maastricht, Eupen und St. Vith treibt seit Jahren eine Sorge, nämlich die Sorge um Tihange und Doel. Genauer gesagt, die Sorge um die Sicherheit von beiden Reaktoren.
Zunächst zu den Fakten:
Nach einer aktuellen Schätzung leben auf deutschem Staatsgebiet in einem Umkreis von 100 km um das Kernkraftwerk Tihange 1,2 Mio Menschen.
Nach Angaben des Betreibers Electrabel ereigneten sich seit dem Jahr 2007 bereits 28 Störfälle der Stufe 1.
Von der FANC wurden im Jahr 2014 insgesamt 3.149 Hinweise auf Schäden in Tihange 2 festgestellt. Bei der jüngsten Überprüfung im Frühjahr 2017 wurde mitgeteilt, dass 3.219 Risse gezählt wurden.
Wir sprechen in diesem Gebiet zudem über eine Erdbebenzone.
Hinzu kommt noch , dass die Informationspolitik von Electrabel als zurückhaltend zu bezeichnen ist.
Diese Fakten sind seit Jahren bekannt.
Sodann zu den Maßnahmen der Region:
Die Region hat hiergegen mobilisiert. Seit 2011 gab es vielfache Demonstrationen für mehr Sicherheit und die Forderung nach einer Abschaltung von Tihange. Ich persönlich war einer von diesen 50.000 Bürgerinnen und Bürgern, die am letzten Sonntag mit der Menschenkette deutschlandweit auf die seit Jahren bestehende Problematik aufmerksam gemacht hat.
Als Mitglied des StädteRegionstages Aachen habe ich auch für die beiden Klagen gestimmt, die im Jahr 2016 im Namen aller Fraktionen eingereicht wurden.
Und die rechtlichen Einordnung dieses Problems?
Es handelt sich um ein rechtlich schwieriges Thema, da die beiden Reaktoren zum einen nicht auf deutschem Hoheitsgebiet stehen und zum anderen die Energieversorgung des Königsreichs Belgien spezieller Natur ist.
All diese Umstände und Tatsachen waren der alten Landesregierung über mehrere Jahre bekannt.
Alle diese Umstände und Tatsachen sind auch der neuen Landesregierung bekannt, deren Minister vor einigen Minuten erst vereidigt wurden.
Nun zum Antrag der Grünen-Fraktion:
Das mit dem Antrag verfolgte Ziel soll durch Fortsetzung der bisherigen rot/grünen Landespolitik erreicht werden. Jedoch stellt sich die Frage, ob der eingeschlagene Weg der letzten Jahre der richtige und ob der Weg der erfolgreiche war, um das erstrebte Ziel zu erreichen.
Dies muss man verneinen, denn sonst hätte es dieses Antrages nicht bedurft.
Auch hätte es keiner Klagen und keiner Menschenkette bedurft.
Und die Frage die sich nun stellt ist, welches ist der richtige Weg?
Hier kann es nur eine Antwort geben und diese lautet:
Gespräche führen. Gespräche führen mit unseren Nachbarn, mit der belgischen Regierung, der EU-Kommission, der deutschen Bundesregierung und dem Bundesumweltministerium.
Und genau dies sieht der Entschließungsantrag von CDU und FDP vor.
Ein solch wichtiges Thema, das die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit von mehreren Millionen Menschen zum Gegenstand hat, kann niemals zur Unzeit kommen, aber es hätte dieses Antrages der Grünen nicht bedurft, um wenige Minuten nachdem die Landesregierung vereidigt wurde, eine Beratung durchzuführen.
Effektiver wäre es gewesen, den Antrag für eine reguläre Beratung im Juli-Plenum einzureichen, damit zuvor die ersten Gespräche hätten geführt werden können.
Wir wollen eine neue Art des politischen Umgangs mit unseren belgischen Nachbarn einleiten und pflegen, damit das wichtige Ziel erreicht wird, einen dauerhaften Schutz unserer Bevölkerung durch das Abschalten von Tihange 2 und Doel.
Minister Remmel hat stets die Bundesregierung und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in die Pflicht genommen. Sicherlich ist dies auch notwendig! Das ist aber nicht genug.
Nein, das ist entschieden zu wenig.
Die neue Landesregierung will und wird hier durch ihre Gespräche mit unseren Nachbarn mehr machen. Dabei kommt es gerade auch auf den richtigen Ton an. Sonst wird gut gemeintes trotzdem eher schaden als nutzen. Im europäischen Miteinander und gerade auch bei Konflikten, die sich grenzüberschreitend auswirken ist es gerade nicht angesagt, unseren Nachbarn oberlehrerhaft vorzuschreiben, was gut und richtig ist.
In unserem Koalitionspapier heißt es:
„In Gesprächen mit der Europäischen Kommission und unseren Nachbarn Perspektiven für Energielieferungen aus den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen als Ausgleich für die abgeschalteten belgischen Atomkraftwerke zu entwickeln.“
Die neue Landesregierung und an der Spitze unser Ministerpräsident wird mit der zuständigen EU-Kommission und mit der belgischen Regierung das Gespräch suchen, um genau dies umzusetzen, nämlich:
zum ersten: absolute Sicherheit von mehreren Millionen Menschen zu erzielen,
zum zweiten: die Energieversorgungssicherheit in Belgien und vor allem der Wallonie zu gewährleisten,
wozu zum dritten notwendig ist, die Netzverbindungen zwischen Belgien und NRW auszubauen und Belgien stärker in den Energiebinnenmarkt zu integrieren. Es ist ein absoluter Anachronismus, dass es bis heute keine direkte Stromverbindung zwischen Belgien und NRW gibt.
Von diesem Geist ist unser CDU/FDP Koalitionspapier getragen und genau so gehen wir mit unserem Antrag 17/57 vor. Ich bitte daher hierzu um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank