Liberale Ideen für einen starken Katastrophenschutz!
14. August 2020
Dr. Werner Pfeil MdL, Sprecher der FDP-Fraktion in NRW für Feuerwehr und Katastrophenschutz. Foto: FDP-Landesverband
Wir Liberale haben als Landtagsfraktion im Mai unser Positionspapier für einen starken Katastrophenschutz bekannt gegeben.
Hier ein Beispiel: Zum Schutz gegen Waldbrände auch im Nationalpark Eifel und dem deutsch-belgischen Naturpark Hohes Venn müssen wir gemeinsame grenzüberschreitende Löschflugstaffeln und Drohnenüberwachungsflüge einsetzen. Abgestimmte Konzepte und Szenarien gehören ebenso dazu, wie ein EU-weites-Frühwarnsystem mit nahezu Echtzeit-Qualitäten in Bezug auf zukünftige für den Bevölkerungsschutz relevante Szenarien.
Die Sommer werden jedes Jahr wärmer und intensiver. Darauf müssen wir reagieren.
Wer mehr wissen will... Nachfolgend das ganze Positionspapier.
Aktuelle Bund-Länder Zuständigkeiten
Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene ist das Thema Bevölkerungsschutz überaus aktuell und Weiterentwicklungen und Verbesserungen werden auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie vielerorts diskutiert. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland ist jedoch keine staatlich zentral gelenkte Organisation. Er ist aufgeteilt in den Bereich des Zivilschutzes und des Katastrophenschutzes. Der Zivilschutz, also der Schutz der zivilen Bevölkerung im Verteidigungsfall, obliegt ausschließlich dem Bund. Der Katastrophenschutz ist gemäß Artikel 70 Abs. 1 i.V. m. Art. 30 GG des Grundgesetzes hingegen grundsätzlich Aufgabe der Länder. Der Infektionsschutz ist gemäß Art 74 Absatz 1 Nr. 19 GG Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Den Ländern steht in diesem Bereich also nur dann eine die Befugnis zur Gesetzgebung zu, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
Die Kompetenzen im Katastrophenschutz sind in Deutschland durch die Aufteilung in 16 Bundesländer und bei Berücksichtigung der Zuständigkeiten von 323 Kreisen und 117 kreisfreien Städten bei der Einsatzleitung entsprechend aufgeteilt. Auf Bundesebene gibt es das Amt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dessen Aufgaben sind im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz - ZSKG) geregelt.
Nach § 13 ZSKG ergänzt der Bund die Ausstattung des Katastrophenschutzes in den Aufgabenbereichen Brandschutz, ABC-Schutz, Sanitätswesen und Betreuung im Verteidigungsfall § 16 ZSKG regelt, dass die Einrichtungen und Vorhaltungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, insbesondere im Bereich Lageerfassung und -bewertung sowie Nachweis und Vermittlung von Engpassressourcen, auch im Rahmen der Amtshilfe nach Artikel 35 Abs. 1 des Grundgesetzes zur Unterstützung eines Landes verwendet werden können. Und gemäß § 18 erstellt der Bund im Zusammenwirken mit den Bundesländern, die für den Katastrophenschutz zuständig sind, eine bundesweite Risikoanalyse für den Zivilschutz.
Philosophie der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist die gemeinsame Verantwortung für die Bewältigung von Großschadensereignissen durch partnerschaftliche Zusammenarbeit über föderale Grenzen hinweg.
Entwicklung der Zusammenarbeit
Die Verbesserung des Katastrophenschutzes ist seit Beginn der 2000er Jahre immer wieder gefordert worden. Nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2011 und dem Sommerhochwasser 2002 an Donau und Elbe fand daher eine Neuordnung der Zusammenarbeit beim Zivil- und Katastrophenschutz zwischen Bund und Ländern statt. Im Ergebnis entstand die „Neue Strategie für den Bevölkerungsschutz in Deutschland“ mit Beschluss der der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder (IMK) im Juni 2002.
Im Jahre 2006 forderte der 109. Deutsche Ärztetag in seinem Abschlussbericht, dass die Umsetzung der „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ gewährleistet sein müsse und dann Maßnahmenpläne und Umsetzungsstrategien zu entwickeln seien, die eine reibungslose und erfolgreiche Schadensbekämpfung durch ein effizientes Zusammenwirken aller betroffenen Stellen (horizontale und vertikale Ebenen) sichern sollen.
Im Jahr 2008 hat auch die Allianz Versicherung in Ihrem Bericht „Katastrophenschutz auf dem Prüfstand“ ausgeführt, dass eine Scheu vor der Identifizierung von, Diskussion über bzw. Vorbereitung auf Worst-Case-Szenarien (wie eine ursächlich zusammenhängende Kombination von Hitze, Wassermangel, Stromausfall und Feuer) sowie eine Scheu vor Katastrophenszenarien, die sich über Wochen oder länger hinziehen, bestehe. Da es bundesweit keine einheitlichen Qualitätsstandards und Qualitätskontrollen für Katastrophenschutzpläne und Szenarien gäbe, entscheide jede Behörde und jedes Unternehmen individuell über deren Umfang und Qualität. Lücken, Strategiefehler und Irrtümer blieben so unerkannt, würden so womöglich vernachlässigt, verdrängt oder versteckt.
Insgesamt zeigt sich, dass die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Bevölkerungsschutz noch nicht voll ausgeschöpft werden. Das ergibt sich auch aus dem Bericht der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz (Bundestags Drucksache 17712051) vom 3.1.2013.
Wir setzen uns daher für die Beibehaltung der föderalen Aufgabenwahrnehmung und für eine verbesserte Zusammenarbeit aller Ebenen im Katastrophenschutz ein. Eine Grundgesetzänderung, die die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz grundsätzlich auf die Bundesebene verlagert, lehnen wir ab. Durch eine Grundgesetzänderung und eine Verschiebung der Zuständigkeiten wird in der Sache keine Verbesserung erzielt.
Entscheidend für einen effektiven Bevölkerungsschutz sind einheitliche Qualitätsstandards, vorhandene Szenarien und Maßnahmenpläne für den Ernstfall auf jeder zuständigen Ebene. Dabei sind regionale Besonderheiten und Erfahrungen in besonderem Maße zu berücksichtigen, weswegen die Kompetenz für Bevölkerungsschutz auch künftig bei den Ländern verbleiben muss. In der Vergangenheit hat sich auch insbesondere im Katastrophenschutz gezeigt, dass Beschaffungsmaßnahmen durch den Bund nicht zwingend zur größeren und schnelleren Verfügbarkeit von Material führen.
Forderungen nach Grundgesetzänderungen im Katastrophenschutz, die vermeintlich einem bundesweit einheitlichen Vorgehen in pandemischen Lagen dienen sollen, sind daher verfehlt. Dem Bund steht bereits heute die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Infektionsschutzes zu. Für eine einheitliche Handhabung eines bundesweiten Infektionsgeschehens bedarf es insoweit keiner Änderung des Grundgesetzes bei den Gesetzgebungskompetenzen in Fragen des Zivil- und Katastrophenschutzes.
Was ist zu tun?
Auf Landesebene sollte der Prozess zur Erarbeitung von Szenarien, Risikoanalysen, und Maßnahmenplänen so koordiniert werden, dass einerseits Planungs- und Rechtssicherheit bei Kreisen und Kommunen besteht und zugleich ein landesweit einheitlicher Standard sichergestellt wird. In diesem Zusammenhang müssen auf Landesebene auch Qualitätsstandards und Kontrollen für Katastrophenschutzpläne zu den unterschiedlichen Szenarien für die betroffenen Bereiche der Daseinsvorsorge erarbeitet werden.
Als Freie Demokraten machen wir uns daher zur weiteren Stärkung des Katastrophenschutzes besonders stark für:
- Die Ausarbeitung von Schutzzielen auch im Katastrophenschutz. Anders als im Rettungsdienst (Stichwort: Hilfsfristen) als auch im Brandschutz sind im Katastrophenschutz bislang keine Schutzziele definiert worden. Schutzziele schaffen jedoch Transparenz hinsichtlich des Zustands, der erreicht werden soll und ermöglichen damit einen Abgleich mit dem bereits erreichten Schutzniveau. Für einen effektiven Katastrophenschutz sind klar formulierte Schutzziele daher notwendig.
- Bei großflächigen und im Extremfall grenzüberschreitenden Szenarien sollten Risikoanalysen als Grundlage für die Katastrophenschutzplanung überörtlich gestaltet werden, um einen Flickenteppich einzelner, gegebenenfalls widersprüchlicher Regelungen, zu vermeiden.
- Vorgaben für eine Risikoanalyse und Rahmenbedingungen einzelner Szenarien müssen von den zuständigen Ministerien des Landes vorgegeben werden. So ist beispielsweise für die Risikoanalyse beim Szenario eines Waldbrandes durch das Ministerium des Inneren vorzugeben, welches Ausmaß das der Risikoanalyse zugrunde gelegte Szenario hat (betroffene Fläche, Dauer etc.). Ebenso sind bei anderen Szenarien wie beispielsweise Stromausfällen, Chemieunfällen oder Tierseuchen entsprechende Vorgaben zum Ausmaß des der Katastrophenschutzplanung zugrunde gelegten Szenarios zu machen.
- Nordrhein-Westfalen sollte durch Erlasse und Weisungen die Bereiche des Katastrophenschutzes für alle Szenarien regeln, die einer überörtlichen Koordination bedürfen. Nach dem BHKG NRW sind die unteren Katastrophenschutzbehörden für den Katastrophenschutz zuständig. Diese Zuständigkeit erschöpft sich jedoch in der lokalen Planung und in der Bearbeitung festgestellter Großeinsatzlagen und Katastrophen. Eine Planung für darüber hinausgehende Szenarien erfolgt nicht.
- Durch vorausschauende landeseinheitliche Beschaffungsmaßnahmen und durch die Zentralisierung der Besorgung und Verwaltung von Schutzausrüstung sollen Engpässe vermieden werden.
- Für den Katastrophenhilfefall sollte eine landesweite Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verwaltung vorgesehen werden.
- Die Ausrüstung von Einsatzkräften sollte mit zusätzlichen mobilen Notstromversorgungsaggregaten, die nicht nur der Eigenversorgung, sondern auch der Notversorgung der Bevölkerung dienen können, verstärkt werden.
- Eine integrierende, systemisch orientierte Forschung und Ausbildung sowie eine zukunftsorientierte Stabilitätsforschung ist in der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz anzubieten und durchzuführen.
- Es müssen weitere Vereinfachungen und Erleichterungen für ehrenamtlich Tätige geschaffen werden – beispielsweise durch verbesserte Kinderbetreuung oder die Bereitstellung eines landesweit einheitlichen Abrechnungsformulars.
- Nordrhein-Westfalen sollte sich auf Bundes- und EU-Ebene für ein Frühwarnsystem mit nahezu Echtzeit-Qualitäten in Bezug auf zukünftige für den Bevölkerungsschutz relevante Szenarien einsetzen. In diesem Zusammenhang sollte auch ein EU-Wissensnetz für den Katastrophenschutz geschaffen werden.